Geschichtlicher Überblick

Der Ursprung dieses pneumatischen Rückhaltesystems liegt in den zwanziger Jahren in der Luftfahrtindustrie. Arthur Hughes Parrott und Harold Round erwarben am 17.Februar 1920 das Patent # US 1,331,359 für verschiedene Ausführungen eines Luftkissens, welches den Flugzeuginsassen bei einer Kollision vor schweren Verletzungen schützen sollte. Das Luftkissen blieb allerdings permanent aufgeblasen, dennoch gilt es als Vorläufer des heutigen Airbag, der erst im Einsatzfall in Sekundenbruchteilen seine Schutzwirkung entfaltet. Das ersten Patente zu einem Kfz-Airbag wurde 30 Jahre später am 06.10.1951 in Deutschland von Walter Linderer (Patent # DE 896312) angemeldet. Am 5. August 1952 meldete John Hetrick, USA, ebenfalls ein Patent an (# US 2,649,311) , welches ihm am 18. August 1953 erteilt wurde. Hetrick schlug ein System vor, welches aus einem trägheitsgesteuerten Ventil und einem Druckgasspeicher bestand, dessen ausströmendes Gas verschiedene Luftsäcke im Lenkrad, der Instrumententafel und im Handschuhfach füllen sollte. Leider stellten sich die erforderlichen, extrem kurzen Aufblaszeiten als unüberwindliches Hindernis dar. Der Einsatz hochkomprimierter Luft war ohne Erfolg.

Man erkannte, dass als Druckerzeuger eine reine Pressluftflasche nicht ausreicht, bzw. eine unrealistische Baugröße bedingt. Die eigentliche Entwicklung der heute üblichen pyrotechnischen Gasgeneratoren begann erst 1968/69 bei Mercedes Benz in Stuttgart. Mit einem Styroporkissen versuchte man die Wirkung und benötigten Abmessungern zu simulieren, was auf Grund der versperrten Sicht bei einer Fehlauslösung zu größten Bedenken führte. Der entscheidende Schritt gelang um die Jahreswende 1970/71 einer Entwicklergruppe in Süddeutschland, welche an einem wehrtechnischen Projekt arbeitete. Die Aufgabenstellung lautete, "kleine Streubomben mittels einer Treibladung so vom Flugzeug zu trennen, dass der beim Ausstoß entstehende Schalldruck keine Beschädigung am Flugzeug entstehen lässt".

Schnittzeichnung eines Fahrer-Gasgenerators von 1970/71
Abb.1: Schnitt eines Fahrer-Gasgenerators von 1970/71

So wurde ein optimal angepasstes Raketentriebwerk entwickelt, welches mit einem rauchlosen Double-Base Treibstoff (Nitrozellulose / Nitroglyzerin / Stabilisatoren) arbeitete. Der gedankliche Transfer auf einen kleinen Festtreibstoff-Gasgenerator, der ein Luftkissen in sehr kurzer Zeit aufblasen sollte, war der Ausgangspunkt für verschiedene Prototypen im Lenkrad. In ersten Versuchen rissen aber die Bags meist an der Luftsack-Anbindung ab. Dies konnte erst mit der Einführung sogenannter Fangbänder verhindert werden (Patent DE 21 52 902 C2, angemeldet im Oktober 1971). Diese verringern die Ausweitung des Luftsackes in Richtung Fahrer bei gleichzeitig optimaler radialer Ausbreitung des Sackes beim Aufblasen. Die Aufblaszeit war bereits damals wie heute ca. 30 ms.

Auch damals hatten die Behörden einiges mitzureden und wie immer benötigte die behördliche Zulassung der Neuentwicklung bei der extBAM einiges an Überzeugungsarbeit. Bald erhoben Toxikologen Einwände, da der verwendete Treibstoff hohe Konzentrationen an NOx und CO erzeugte, und es wurde nach einer besseren Lösung gesucht. 1972 wurde nach einem Expertentreffen der Firmen Bayern-Chemie und Daicel in Ottobrunn ein Airbag Festtreibstoff entwickelt, welcher eine erheblich bessere Haltbarkeit (> 15 Jahre) bei geringster Schadgasemission hatte. Dieser bestand aus Natriumazid, Kaliumnitrat und Sand, wurde in Tablettenform verpresst und erzeugt beim Abbrand ausschließlich das ungiftige Gas Stickstoff und Kaliumoxid als Feststoff.

Initiert durch US-Insassenschutzanforderungen wurde von GM 1974 bis 1976 unabhängig von obiger Entwicklung eine kleinere Stückzahl von Airbags für den Cadillac DeVille gefertigt. Da diese auf einem reinen Pressluftsystem beruhten, konnten sie aufgrund des hohen Schallpegels und klobigen Bauform nicht direkt überzeugen. Erst die von der Daimler-Benz AG in Stuttgart vorangetriebene Weiterentwicklung des pyrotechnischen Systems führte zum endgültigen Durchbruch. Da der Knall beim Auslösen des Airbags über der Schmerzgrenze lag, aber nur zehn Millisekunden dauerte, war der Effekt auf die Trommelfelle zunächst nicht eindeutig geklärt. Man behalf sich mit einen Käfig mit 15 Kanarienvögeln im Testwagen, um zu erfahren, inwieweit sich beim Auslösen des Airbags der Knall, die Gasemissionen und der Luftdruck schädlich auswirken könnten. Alle Kanarienvögel überlebten und blieben ausgesprochen munter. Als Nebeneffekt nahm die Anzahl der Kanarienvögel in den technischen Labors durch die gute Pflege stark zu, wo man die Vögel züchtete. Wieder war ein Schritt getan. Der Schalldruck lag nun in einem akzeptablen Bereich ("Airbag-Vortrag an der TU-München"; 20.1.78). Gemeinsam mit der Petri AG (Aschaffenburg) und der Bayern Chemie in Aschau (später TEMIC Bayern-Chemie und dann TRW Airbag Systems GmbH) wurde der Airbag zur Serienreife weiterentwickelt. Die ersten Lenkrad-Airbags wurden ab Ende 1980 von der Petri AG (heute Takata-Petri) mit Gasgeneratoren der Bayern-Chemie in Serie für die Mercedes-Benz S-Klasse der Baureihe W126 als Sonderausstattung produziert und im Dezember ausgeliefert. Kurz darauf schlossen sich BMW und weitere Fahrzeughersteller an.

Seit Ende der 90'ger Jahre wurde der Azid-Treibstoff durch azidfreie Neuentwicklungen ersetzt, welche noch heute in zahlreichen Generatorvarianten zum Einsatz kommen. Um die Gastemperatur zu senken, wurden auch sogenannte Hybrid-Gasgeneratoren entwickelt, welche aus einer Druckgasflasche (Fülldruck etwa 300 bar) und einer pyrotechnischen Stufe zur Auslösung und gleichzeitigen Erwärmung des ausströmenden Gases bestehen. Der Trend geht jedoch eindeutig wieder zurück zu reinen pyrotechnischen Lösungen, wobei sich die Leistung durch mehrere Stufen je nach Bedarf anpassen lässt.

Etwa ab dem Jahr 2000 wurde vermehrt an dem Problem gearbeitet, die Wucht des sich entfaltenden Airbags, insbesondere für Personen, die sich zu nahe am Airbag-System befinden, zu verringern (z.B. ein Beifahrer, der sich nach vorne beugt und sich somit "out of position" befindet). Hierzu wurden zweistufige Gasgeneratoren entwickelt, welche zunächst mit der ersten pyrotechnischen Stufe den Bag entfalten und erst dann vollständig mit der zweiten Stufe über ein zusätzliches Zündsignal vom Steuergerät auffüllen. Der Bag entfaltet sich dadurch wesentlich sanfter aus seinem Modul und überträgt weniger Energie auf die ungünstig positionierte Person.

Interessante Erfindungen

Der Airbag bringt aber auch 60 Jahre nach seiner Erfindung interessante Stilblüten zutage. So meldete die Gesellschaft für innovative VerkehrsTechnologien mbH in Berlin eine "Sicherheitseinrichtung pneumatischer Airbag mit berstendem Druckbehälter" zum Patent unter der Nummer DE 43 07 615 A1 an. Hier wird ein Druckbehälter aus sprödem Material, vorzugsweise Glas, beschrieben, welcher bei einer hohen Bremsbeschleunigung auf einen Nagel trifft, in kleine Bruchstücke zerbirst und das gespeicherte Gas freisetzt:

Patentanmeldung DE 43 07 615 A1
Sicherheitseinrichtung pneumatischer Airbag mit berstendem Druckbehälter

Airbag Patent DE 43 07 615 A1
Abb.2: Airbag Patent DE 43 07 615 A1 mit Glaskugel

In konventionellen Fahrzeug-Airbagsystemen werden Aufblasvorrichtungen verwendet, bei denen das Druckgas zum Befüllen des Gaskissens durch Zündung von Treibstoffladungen erzeugt oder freigegeben wird. Dabei entstehen unerwünschte toxisch wirkende Verbindungen. Nicht ausgelöste Treibstoffladungen stellen ebenso eine potentielle Gefahr dar. Die neue Airbagschutzvorrichtung soll gewährleisten, dass das Ausströmen des Druckgases aus dem Druckbehälter ohne Zündung von pyrotechnischer Treibladung erfolgt und dabei eine optimale Ausströmcharakteristik des Ausströmvorganges erzielt wird.
Gemäß der Erfindung wird das Druckgas in einem Druckbehälter (1) aus sprödem Material (vorzugsweise Glas) gespeichert. Der Druckbehälter (1) wird in seiner Position auf einer Druckfeder (4) abgestützt. Bei Überschreiten einer definierten Grenzverzögerung wird der Druckbehälter (1) durch die auftretende Massenträgheitskraft aus der Nullage bebracht, wobei dieser auf ein keilförmiges Bauteil (6) aufschlägt und somit zum Bersten gebracht wird. Das sich rasch entspannende Druckgas strömt in das Gaskissen (2) hinein.
Die Sicherheitsvorrichtung wird zum Schutz von Insassen von Kraftfahrzeugen sowohl für die Fahrer- als auch Beifahrerseite verwendet...

Der beschriebene Gegenstand erzeugt zwar keine toxische Verbindungen, allerdings bekommen die Glassplitter im Funktionsfall eine derart hohe kinetische Energie, so dass er höchstens für unliebsame Beifahrer eingesetzt werden kann. Wenn das Handling nicht so gefährlich wäre (benötigter Gas-Fülldruck immerhin 300 bar), wäre evtl. der Einsatz als Streubombe denkbar, aber niemals als Gasgenerator für Airbags im Kraftfahrzeug.

Oder wie wäre es mit dem CSS (Crash Sicherheits System). Eine Art Luftsack Rundumschutz für das gesamte Fahrzeug, welches sogar Blechschäden verhindert. Die Patentanmeldung vom 29.09.2005 ist unter DE 103 46 949 A1 zu finden. Zitat: "Der CSS schaltet sich entweder per Hand oder automatisch. Der Fahrer entscheidet und der Not Situation kann CSS selber per Notknopf Einschalten..." und "...garantiert höchsten Insassenschutz für alle Zeiten". Wahrscheinlich hat der Inhaber seine Patentgebühren nicht mehr bezahlt und das Patent freigegeben. 2015... siehe da, hat nun doch jemand extdie Idee aufgegriffen. Trotzdem glaube ich nicht, dass das was wird. Zu hoch ist das Gewicht für solch einen Bag mit Gasgenerator und die Wirksamkeit bei einem schrägen Aufprall ist doch sehr fraglich.

Inzwischen gibt es seit 2010 einen extAirbag für Fahrradfahrer von Hövding mit einem Video vom extCrash Test(. Dieser Helmersatz spricht vor allem Frauen an, welche Angst um ihre teure Frisur haben. Ob diese dann allerdings wirklich Fahrrad fahren oder sich nicht doch lieber ein Taxi nehmen.

Es ist immer empfehlenswert, Ideen vor der Anmeldung auf die grundlegende Machbarkeit unter Beachtung der geltenden Naturgesetze prüfen zu lassen. Auch eine kleine extPatentrecherche vorab ist unbedingt zu empfehlen.

Natürlich können Sie sich auch an mich wenden, vielleicht kann ich Ihnen in der ein oder anderen Frage weiterhelfen.

Gasgenerator-Hersteller

Morton MDN2 Airbag Fahrer-Gasgenerator
Abb.3: Alter Fahrer-Gasgenerator MDN2 von Morton (Autoliv) im Schnitt

Inzwischen versuchen sich viele Firmen in der Herstellung von Gasgeneratoren und Airbag-Systemen, deren Anzahl allerdings mehr oder minder konstant bleibt. Die einen gehen in Konkurs, die anderen werden von größeren Mitbewerbern aufgekauft und andere versuchen, neu in diesem engen Markt Fuß zu fassen. Hier sind extZF (DE, früher Bayernchemie, Temic und dann TRW), extAutoliv, extJoyson Safety Systems (früher Takata und Key Safety Systems KSS), extDaicel (JP) und extNippon Kajaku (JP) als die größten Hersteller zu nennen. extTakata-Petri musste den Markt inzwischen verlassen und wurde von JSS übernommen.

Das größte extSymposium von Airbag Herstellern und Lieferanten von Insassen Schutz Systemen führt alle zwei Jahre das Frauenhofer-Institut (ICT) in Pfinztal durch. Für Literatur zu den Tagungen können Sie sich gerne an mich wenden.

Dienstleister für Tests und Zulassung

Die Firma extHPS bietet seine Dienste für die Zulassung von Rückhaltesystemen an. Es ist nämlich nicht ganz so einfach, ein funktionsfähiges und gleichzeitig sicheres Produkt zu entwickeln, was ich aus meinen langjährigen Erfahrungen nur bestätigen kann.

Selbstverständlich können Sie sich auch jederzeit an mich wenden, wenn Sie einen Ansprechpartner für Ihre Idee suchen. Ich kann Ihnen sicher passende Firmen für Ihr Anliegen nennen.

Literatur

Leider gibt es nur sehr wenige Bücher über den Airbag oder Gasgeneratoren. So kann ich nur auf die folgenden Bücher verweisen:

Weitere Berichte, Vorträge und Theorie:

Ein kurzer geschichtlicher Abriss ist auch im Katalog des extDeutschen Museum beschrieben. Auch der Artikel ext"25 Jahre Airbag" von der DaimlerCrysler AG und der Spiegel-Artikel ext"Knall auf Unfall" ist sehr interessant. Das kleine Büchlein "Airbag: Die zündende Idee beim Insassenschutz" ist leider schon vergriffen.

Haben Sie weitere Literatur-Quellen? Ich bin für einen kurzen Hinweis immer dankbar.

Hinweise für Feuerwehr und Rettungskräfte

Aufgrund der hohen Anzahl an Airbag-Gasgeneratoren ist es unerlässlich, sich grundlegend mit der Anordnung von Airbagsystemen und der Vorgehensweise im Rettungsfall vertraut zu machen. Hier kann ich folgende Broschüren im Internet empfehlen: